München tritt Fast-Track-Cities-Initiative bei. Städte gegen HIV
Frau Zurek, was ist das Fast-Track-Cities-Netzwerk, und wer ist dort Mitglied?
Die globale Initiative unterstützt Städte dabei, die HIV-Epidemie sowie die damit häufig in Verbindung stehenden Infektionskrankheiten Tuberkulose und Hepatitis zu bekämpfen und die Lebensqualität von Menschen mit HIV zu verbessern. Sie wurde 2014 gegründet – von der Stadt Paris, der „International Association of Providers of AIDS Care“ (IAPAC), dem gemeinsamen Programm der Vereinten Nationen für HIV/AIDS (UNAIDS) und dem Programm der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen (UN-Habitat).
Mittlerweile haben sich darin über 550 große und kleinere Städte weltweit dazu verpflichtet, die HIV-Neuinfektionen möglichst bis 2030 auf null zu reduzieren, den Zugang zu Behandlung und Prävention zu verbessern und der Diskriminierung Betroffener entgegenzuwirken. Die Mitgliedsstädte arbeiten zusammen an der Entwicklung und Evaluation innovativer Ansätze zur Prävention, Behandlung und Unterstützung von Menschen mit HIV und anderen Infektionskrankheiten.
Welche Ziele hat sich München gesteckt? München unterstützt aktiv die 95-95-95-Ziele zur Bekämpfung von HIV/AIDS. Das bedeutet: Jeweils 95 Prozent
• der HIV-positiven Menschen sollen von ihrem Status wissen, also getestet und sich dessen bewusst sein.
• der HIV-positiven Menschen sollen eine antiretrovirale Therapie (ART) erhalten.
• der Menschen mit antiretroviraler Therapie sollen eine vollständige und dauerhafte Virus-Suppression erreichen, sodass die Viruslast im Blut nicht mehr nachweisbar ist.
Schon lange setzt die Landeshauptstadt München einen Fokus auf die Primär- und Sekundärprävention von sexuell übertragbaren Infektionen (STI) – mit dem Ziel, die Bürger*innen zu informieren, zu sensibilisieren und zu motivieren. In der Beratungsstelle für sexuell übertragbare Erkrankungen im Gesundheitsreferat in der Bayerstraße 28 A (www.muenchen.de/aidsberatung) bieten wir allen Münchner*innen einen direkten, niedrigschwelligen Zugang zu kostenlosen und anonymen Tests und Beratung – nicht nur zu HIV, sondern auch zu allen weiteren sexuell übertragbaren Infektionen wie Hepatitiden, Syphilis, Chlamydien und Gonorrhoe. Wir vermitteln auch an Einrichtungen der medizinischen Versorgung, psychosozialen Beratung und Unterstützung bei rechtlichen und sozialen Fragen. Ein besonderes Anliegen, auch durch aufsuchende Arbeit, sind Prävention und Tests bei Jugendlichen, Erwachsenen und Menschen mit besonders erhöhtem Risiko für sexuell übertragbare Infektionen. Dies bieten wir auch in Communities und in Stadtvierteln an, zuletzt z.B. an Informationsständen beim Christopher Street Day (CSD) in der Innenstadt. Bei der CSD-Parade sind wir auf dem Wagen der Internationalen AIDS Society mitgefahren. Wir arbeiten eng mit den lokalen Akteur*innen im Gesundheitssystem zusammen und unterstützen NGOs wie die Münchner AIDS-Hilfe mit Zuschüssen für gezielte Präventionsmaßnahmen und zur bestmöglichen Versorgung für Infizierte. Impfungen bieten einen wirksamen Schutz vor einigen sexuell übertragbaren Infektionen, wie Hepatitis A und B und HPV. Das Gesundheitsreferat unterstützt die niedergelassene Ärzteschaft hier durch ein subsidiäres Impfangebot (www.muenchen.de/impfen).
Warum ist München jetzt (erst) beigetreten?
In München haben viele Akteur*innen im Gesundheitssystem in den letzten Jahrzehnten bereits sehr erfolgreich aus eigenem Antrieb umfangreiche Maßnahmen zur Erforschung und Bekämpfung von HIV sowie zur Verbesserung der Lebenswirklichkeit Betroffener ergriffen. Unsere Stadt hat eine lange Tradition der Toleranz, Offenheit und Solidarität. Die Teilnahme an der Fast-Track-Cities-Initiative ist ein weiteres Bekenntnis zu diesen Werten. Sie zeigt, dass München bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und aktiv an der Lösung globaler Herausforderungen mitzuwirken. Wir möchten die Sichtbarkeit der HIV-Prävention und -Behandlung in der Stadt erhöhen und vom Erfahrungsaustausch mit anderen Städten proftieren. Einen sehr guten Anlass dafür bot der Welt-AIDS-Kongress vom 22. bis 26. Juli 2024 in München. Wir als Gesundheitsreferat freuen uns sehr über die Unterstützung des Stadtrats für unseren Beitrittswunsch und über die Unterzeichnung der Pariser Erklärung durch Frau Bürgermeisterin Verena Dietl, gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Fast-Track-Cities-Initiative, Dr. José M. Zuniga, im Rahmen einer Feierstunde im Rathaus.
Inwieweit betrifft dies die Münchner Ärzt*innen?
Sie spielen eine entscheidende Rolle in diesem Prozess. Als erste Ansprechpartner*innen für Patient*innen können sie durch Aufklärung und Sensibilisierung einen sehr wichtigen Beitrag leisten. Zudem führen sie Untersuchungen, Tests und Behandlungen durch und vermitteln bei Bedarf an HIV-Schwerpunktpraxen und sonstige spezialisierte Einrichtungen.
Ärzt*innen die Bemühungen der Stadt unterstützen, und welche Hilfestellungen erhalten sie z.B. vom Gesundheitsreferat? Wir möchten alle Ärzt*innen ermuntern, Patient*innen aktiv auf die Möglichkeit eines Tests auch zu weiteren Infektionserkrankungen wie Hepatitiden anzusprechen, insbesondere Patient*innen mit erhöhtem Risiko. Um das Bewusstsein für HIV und andere sexuell übertragbare Erkrankungen sowie für Präventionsmaßnahmen wie die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) zu stärken, spielen Beratungen eine genauso wichtige Rolle wie die fachliche, menschliche und positiv richtungsweisende Betreuung und Begleitung infizierter Patient*innen. Denn leider berichten immer noch einige von Vorbehalten und Diskriminierung. Den bestmöglichen Zugang zu Prävention und Behandlung finden sie durch eine informierte und aufgeschlossene Ärzteschaft und eine sichere und empathische Atmosphäre.
Die Therapiemöglichkeiten für HIV Infizierte haben sich in den letzten Jahrzehnten enorm verbessert. Daher möchte ich an alle Ärzt*innen appellieren: Bitte informieren Sie sich regelmäßig über aktuelle Behandlungsmöglichkeiten und zögern Sie auch nicht, im Bedarfsfall z.B. Schwerpunktpraxen, Spezialist*innen an Universitätskliniken oder Beratungsstellen zu kontaktieren. Auch unsere STI-Beratungsstelle im GSR steht Ihnen und Ihren Patient*innen hierfür jederzeit zur Verfügung. Ärztliche Kolleg*innen können sich gerne auch mit Fragen zur Tuberkulose an unseren entsprechenden Fachbereich wenden (www.muenchen.de/tuberkulose).
Das Gespräch führte Stephanie Hügler
2024/20