Beiträge

Münchner Psychiatrie-Erfahrene: Mehr als Hilfe zur Selbsthilfe

Psychisch Erkrankten steht der Verein Münchner Psychiatrie-Erfahrene (MüPE) e.V. mit Rat und Tat zur Seite. Über Aufgaben und Angebote des Vereins sprachen die MÄA mit dem Geschäftsführer Mirko Bialas.

Herr Bialas, was macht Ihre Organisation?

Die Münchner Psychiatrie-Erfahrenen (MüPE) sind ein eingetragener Verein auf dem Gebiet der psychiatrischen Selbsthilfe. Wir gehören der organisierten Selbsthilfe an, die nach dem bayerischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz gefördert werden soll. Als organisierte Selbsthilfe sind wir zum Beispiel in Gremien wie in den Psychosozialen Arbeitsgemeinschaften (PSAGs) München vertreten. Zudem haben wir gemeinsam mit dem Isar-Amper-Klinikum in München-Haar einen Arbeitskreis gebildet. Ziel ist es hier, Konzepte zu entwickeln, um an Sonn- und Feiertagen die Langeweile auf den Stationen zu reduzieren. Genau darin sehen wir auch eine unserer Aufgaben: Dort, wo aus Sicht von Betroffenen Bedarf oder Nachholbedarf besteht, zu intervenieren, etwas anzuregen oder ggf. zu korrigieren. Jede*r hat einen blinden Fleck. Um diesen zu entdecken sind externe Beobachter nötig. In dieser Rolle sehen wir uns. 

Als eine Art Lobbyorganisation von Psychiatrie-Erfahrenen sehen wir unsere Aufgabe auch darin, auf die Politik und die Öffentlichkeit einzuwirken – zum Beispiel arbeiten wir gegen die Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen. Auch das ist für uns Selbsthilfe: Für uns zu sprechen, unsere Anliegen selbstständig zu formulieren, eine eigene Sprache zu entwickeln. 

Die Peer-to-Peer-Beratung von Betroffenen für Betroffene ist unser Hauptanliegen, sozusagen unser Kerngeschäft. Weil wir selbst betroffen sind, können wir andere unterstützen. Zum Beispiel geben wir unsere Erfahrungen mit dem Versorgungssystem weiter. Wir helfen, wenn jemand eine Patientenverfügung machen bzw. eine Erwerbsminderungsrente beantragen möchte oder mit dem System nicht zurechtkommt. Es ist immer hilfreich, wenn man jemanden Gleichgesinnten zur Seite hat – jemanden, der oder die Erfahrungen aus einer ganz ähnlichen Perspektive gemacht hat. Das richtet auf, gibt Orientierung und lässt manche*n ganz und gar Verzweifelte*n nicht mehr ganz so verzweifelt sein, wenn er oder sie die Erfahrungen teilen kann.

Was für verschiedene Angebote gibt es?

Als Selbsthilfeorganisation organisieren wir Selbsthilfegruppen, z. B. für junge Leute unter 38 Jahren (U38), speziell für Frauen oder für alle Geschlechter jeden Alters in unserer Gruppe „Zu Wort kommen… zuhören“. Jeden Dienstag zwischen 16 und 18 Uhr ist unser „Abend der offenen Tür“. Bei der „offenen Tür“ können Interessierte den Verein kennenlernen und nette Leute treffen oder auch kurzfristig eine Beratung erhalten. Einmal im Monat informieren wir in einer öffentlichen Veranstaltung über aktuelle Entwicklungen in der Psychiatrie-Landschaft. Darüber hinaus bieten wir jeden Tag zwei Stunden lang Telefonsprechzeiten zur Beratung oder auch persönliche Gespräche unter vier Augen. Die MüPE ist außerdem Trägerin einer unabhängigen psychiatrischen Beschwerdestelle. Ihre Aufgabe ist es, Beschwerden über das Versorgungssystem zu klären und zu unterstützen. Die Beschwerdestelle ist trialogisch aufgestellt – wir arbeiten mit Angehörigen und Profis aus der Psychiatrie zusammen. Leider ist unsere Profilstelle derzeit vakant.

Für wen stehen die MüPE offen und was kostet das?

Als Verein sind wir immer wieder auf der Suche nach neuen Mitgliedern, die Lust haben, sich bei uns zu engagieren und z. B. eine eigene Selbst-hilfegruppe zu gründen, sich künstlerisch zu betätigen oder in Gremien mitzuarbeiten. Lediglich Mitglieder von Scientology oder aggressive Menschen finden bei uns keinen Platz. Dem Engagement sind fast keine Grenzen gesetzt, denn wir werden von Stadt, Bezirk und Krankenkassen gefördert. Die Mitgliedschaft bei uns kostet, je nach Geldbeutel, zwischen sechs und 31 Euro pro Jahr. Man kann aber auch Fördermitglied werden, z.B. wenn man nicht betroffen ist, aber unsere Ziele unterstützenswert findet. Mitglieder dürfen unseren Vorstand wählen oder auch selbst dafür kandidieren. So kann man direkt oder indirekt mitgestalten, in welche Richtung der Verein sich entwickeln soll. Unsere Angebote sind für alle Mitgliederkostenfrei und stehen allen offen. Dazu zählen neben unserer Beratung die Selbsthilfegruppen, die „offene Tür“ und unsere monatliche Veranstaltung, das sogenannte MüPE Forum. Zusätzlich verschicken wir eine Vereinszeitschrift und einen Newsletter mit Informationen und Veranstaltungshinweisen.

Was sollten Ärzt*innen über Sie wissen ?

Sie sollten unseren Krisenpass, eine Art Patientenverfügung für die Brieftasche, kennen. Dieser enthält lebenswichtige Informationen wie Medikamentenunverträglichkeiten oder Hinweise auf betreuende Ärzt*innen oder auch Wünsche unserer Mitglieder. Wir raten allen dazu, diesen Pass immer bei sich zu führen, um im Krisenfall alle wichtigen Informationen an einem Ort zu haben. Die Resonanz von Ärztinnen und Ärzten auf unseren Krisenpass ist gut. Wer ihn noch nicht kennt, kann gerne von uns Exemplare anfordern. Aus unserer Sicht stellt er ein wertvolles Hilfsmittel gerade auch für ambulant Niedergelassene dar – egal, ob Allgemeinmediziner*in oder Psychiater*in. 

Das Gespräch führte Stephanie Hügler
MÄA 13/2024