Leitartikel

Ernährung bei Parkinson, Nahrung fürs Gehirn

Eine passende Ernährung kann offenbar das Risiko für eine Parkinsonerkrankung senken, den Verlauf verlangsamen und die Wirksamkeit der Medikamente stärken. Zum Weltparkinsontag am 11. April sprachen die MÄA darüber mit Prof. Dr. Andrés Ceballos-Baumann.
Ernährung bei Parkinson, Nahrung fürs Gehirn
Ernährung bei Parkinson, Nahrung fürs Gehirn

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Herr Prof. Ceballos-Baumann, welche Rolle spielt Ernährung bei der Entwicklung der Parkinsonkrankheit?

Bestimmte Diäten sind mit einer geringeren Inzidenz, einem späteren Beginn und einem günstigen Verlauf vergesellschaftet. Bei Alzheimer haben solche Interventionen schon eine längere Tradition, etwa die „Mediterranean DASH Intervention for Neurodegenerative Delay“ (MIND-Diät). DASH steht für „Dietary Approaches to stop Hypertension“. Die MIND Diät unterscheidet sich von der klassischen Mediterranen Diät, indem sie grünes Blattgemüse und Beeren in den Vordergrundstellt, während bestimmte Milchprodukte, vor allem Käse, eher kritisch gesehen werden.

Warum ist gerade Käse schlecht?

Offenbar sind die enthaltenen Fette epidemiologisch nicht so günstig. Fisch hingegen ist erlaubt, genauso wie Hülsenfrüchte. Nüsse, Blattgemüse und Beeren sollen mit ihren Antioxidantien und Flavonoiden einen neuroprotektiven Charakter haben. Dies deckt sich mit den aktuellen Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die zudem Wert auf Nachhaltigkeit, regionale und saisonale Produkte legt. Australische Studien haben für Alzheimer ergeben, dass die MIND-Diät mit einer um bis zu 50 Prozent geringeren Inzidenz einhergehen soll. Zudem kann man durch eine passende Ernährung neurodegenerative Erkrankungen womöglich verlangsamen. Die Daten dafür sind leider eher schwach.

Welche Rolle spielt der Darm?

Alle Krankheiten beginnen im Darm soll Hippokrates gesagt haben. Auch bei Parkinson wird in diesem Sinne der Darm in den Vordergrund gestellt. Tatsächlich stellt chronische Verstopfung ein Risiko dar, später im Leben Parkinson zu entwickeln. In jedem Fall ist eine darmgesunde Ernährung für bereits Erkrankte wichtig. Denn auch sie leiden häufig unter Verstopfung, und dies hat nicht nur einen erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität, sondern auch auf die Aufnahme der Medikamente. Wenn sich der Darm nicht bewegt, kommt das wesentliche Arzneimittel, das Levodopa, nicht weiter und wird im Dünndarm nicht resorbiert.

Wie sollten sich Parkinsonpatient*innen ernähren?

Viel Obst und Gemüse sowie Hülsenfrüchte als Proteinquelle sind gut. Beeren und Nüsse sind sinnvoll. Statt auf tierische Fette sollte man aber lieber auf pflanzliche Öle wie Olivenöl zurückgreifen. Auch Rohkost und andere Ballaststoffe sind wichtig. Dazu braucht es aber viel Flüssigkeit, damit die Ballaststoffe quellen können und den Darm dazu bringen, dass er sich bewegt. Parkinsonpatient*innen tendieren leider oft dazu, zu wenig zu trinken. Bei der Planung der Mahlzeiten über den Tag ist zu beachten, dass das wesentliche Medikament Levodopa idealerweise mindestens eine halbe Stunde vor oder frühestens anderthalb Stunde nach einer Mahlzeit mit ausreichend Flüssigkeit, vorzugsweise Wasser, einzunehmen ist. Bei Fortschreiten der Erkrankung mit Levodopa-Einnahmen alle drei Stunden sind diese Empfehlungen zu Karenzzeiten vor und nach einer Mahlzeit aber gar nicht mehr praktikabel und man muss Kompromisse machen.

Gelten diese Ernährungsempfehlungen für alle Betroffenen gleichermaßen?

Wie man essen sollte, ist individuell und hängt auch vom Erkrankungsstadium und dem Ansprechen auf Levodopa ab. Im Stadium der Levodopa-Wirkungsschwankungen kann durch eine Mahlzeit eine Off-Phase, also ein Phase von schlechter Symptomkontrolle ausgelöst werden, in der sich die Patient*innen kaum mehr bewegen können. Das Levodopa braucht freie Bahn in den proximalen Dünndarm. Wenn Sie einen Schweinsbraten zu sich genommen haben, ist Ihr Magen aber erst ein- mal über Stunden blockiert.

Dann wird der Schweinsbraten also von der Speisekarte gestrichen.

Ja, andererseits ist Essen auch eine Quelle von Lebensfreude und -qualität. Wer von Patient*innen das Einhalten von Karenzzeiten vor und nach Levodopa-Einnahme einfordert, kann unnötigerweise ihre Lebensqualität einschränken. Manche spüren die Wirkungsschwankungen kaum, andere essen eine Weißwurst und sind dann den ganzen Nachmittag im Off. Trotz Wirkungsschwankungen können die Patient*innen auch gerne mal einen Schweinsbraten essen gehen. Sie schaden sich nicht langfristig, denn alle Parkinson-Medikamente wirken ja rein symptomatisch. Patient*innen sollten sich nur darüber im Klaren sein, dass danach eine schlechtere Wirksamkeit von Levodopa eintreten kann. Es ist eher wichtig, dass sich die Patient*innen im Sinne eines Empowerments darüber klar werden: Wie kann ich den besten Nutzen aus dem Levodopa ziehen?

Viele stellen sich für die Einnahme von Levodopa einen Wecker und machen sich verrückt mit den empfohlenen Nahrungskarenzzeiten aus der Packungsbeilage. Das aber sind Empfehlungen, und jede*r muss selbst herausfinden, wie man damit umgehen kann.

Sind vor allem Fleisch und Wurst problematisch?

Ja, denn hier kommen zwei Faktoren zusammen: die schlechte Verdaulichkeit und viel Eiweiß. Auch ein Joghurt und Fisch kann die Aufnahme von Levodopa erschweren. Das ist aber schnell verdaut. Patient*innen mit Wirkungsschwankungen sollten lieber mehrere kleinere Mahlzeiten zu sich nehmen. Helfen kann auch eine Protein-Redistributionsdiät. Die Einnahme der Proteine abends ist günstiger, um während des Tages aktiver sein zu können. Auf Proteine sollten die Betroffenen aber nicht verzichten.   

Was ist mit Zucker, etwa mit Cola und Co.?

Zucker, verarbeitete und frittierte Lebensmittel sowie rotes Fleisch werden in den Diäten als schädlich betrachtet, auch bei Parkinson. Allerdings haben unsere Patient*innen häufig einen Heißhunger auf Süßigkeiten. Dafür gibt es Erklärungen: Zum einen wird durch Zucker Dopamin freigesetzt. Der Zucker ist damit sozusagen ein Surrogat für das, was den Patient*innen fehlt. Zum anderen, können vor allem Dopaminagonisten Impulskontrollstörungen verursachen mit einem nicht beherrschbaren Appetit auf Süßes. Grundsätzlich wissen wir: Parkinsonspatient*innen haben eine höhere Inzidenz von Diabetes und umgekehrt. Manche Patient*innen meinen, dass ihre Levodopa-Tabletten zusammen mit einer Cola schneller wirken. Dafür gibt es Erklärungen: der niedrige PH-Wert, also die Säure der Cola und die Kohlensäure, die die Levodopa-Resorption erleichtern soll. Es gibt aber keine Studien dazu.

Wie verbreitet sind die neu auf den Markt gekommenen Medikamentenpumpen?

Es gibt eine neue Art von Medikamentenpumpe. Es handelt sich um die Pumpe zur subkutanen Infusion von Foslevodopa/Foscarbidopa, die erst vor etwa drei Monaten in Deutschland auf dem Markt kam und daher noch nicht verbreitet ist. Sie soll ähnlich wie die schon seit vielen Jahren eingesetzten Pumpen für Apomorphin subkutan und Levodopa/Carbdopa intestinal die Aufnahme der Dopaminersatzstoffe vom oberen Gastrointestinaltrakt unabhängig machen und damit die Wirkungsschwankungen von Levodopa glätten.

Was empfehlen Sie Personen mit Schluckstörungen?

Bei Schluckstörungen ist die erste Frage: Sprechen die Patient*innen auf Levodopa an? Schluckstörungen früh im Verlauf sind ein Hinweis auf ein atypisches Parkinson-Syndrom, das schlecht auf Levodopa anspricht. Wenn Schluckstörungen bestehen, sollten diese abgeklärt werden, zunächst mit einer Schluckendoskopie. Es gibt Schlucktrainings durch Logopäd*innen und Schluckwecker, die einen daran erinnern zu schlucken. Studien haben gezeigt, dass EMST (expiratory muscle strength training) die Schlucksicherheit und Kaugummi-Kauen die Schluckfrequenz steigert. Man kann die Kost anpassen. In der Levante-Küche gibt es leckere, ballaststoffreiche Speisen wie Hummus, die leicht zu schlucken sind.

Spielen außer der Ernährung noch andere Lebensstilfaktoren eine Rolle?

Sowohl zu aerobem Training als auch zu Krafttraining gibt es vielversprechende Daten, dass diese den Verlauf günstig beeinflussen. Die Schwierigkeit ist die Motivierung: Parkinsonkranke haben die Tendenz zur Inaktivität, die dann leicht ein sich selbst verstärkender Kreislauf wird. Die Krankheit an sich fördert eher einen behäbigen Lebensstil, also wenig Aktivität, sich zurückziehen, sich wenig bewegen. Das hat dann Konsequenzen auf das Herz-Kreislauf-System und die Stimmung. Aktivierung und Strukturierung sind daher ganz wichtig. Hier in München gibt es das PANTHER (Parkinson- Netzwerk-Therapie, s. dazu auch MÄA 09/2023). Darin wird unter- sucht wie sich eine symptomorientierte und evidenzbasierte Physiotherapie in der Versorgung auswirkt.

Was gibt es Neues aus der Forschung?

In den klinischen Forschungsregistern finden Sie derzeit über 150 laufende kontrollierte Studien, die nicht mehr nur rein symptomatische Ziele haben, sondern sich auch mit der Modifikation des Krankheitsverlaufs beschäftigen. Man möchte die Krankheit jetzt an den Wurzeln packen. Manche Studien suchen bereits Proband*innen mit bestimmten genetischen Varianten oder Mutationen, die mit vermehrten Alpha-Synuclein-Ablagerungen in Nervenzellen assoziiert sind. Das soll z.B. mit Aggregationshemmern von und Antikörpern gegen Synuclein angegangen werden. Allerdings fielen die zwei ersten großen Studien mit Antikörpern, veröffentlicht im New England Journal of Medicine, leider negativ aus.

Interessanterweise werden die GLP- 1-Rezeptor-Agonisten, die jetzt als Mittel gegen Übergewicht in aller Munde sind, auch zur Verlaufsmodifikation bei Parkinson intensiv erforscht – schon in Phase 3. Gerade in einer Anfang April im New Engl J Med veröffentlichten Phase-2-Studie mit einem weiteren GLP-1-Rezeptor- Agonisten, zeigte die mit Lixisenatid behandelte Gruppe von Patient*innen in frühen Stadien der Krankheit im Vergleich zu Placebo keine Progression über 12 Monate. Es passiert also derzeit sehr viel.

Stephanie Hügler

MÄA 09/2024 vom 20.04.2024