Leitartikel

Austausch von Medizinischen Fachangestellten, Austausch erwünscht

Ohne Medizinische Fachangestellte (MFA) könnten ambulante Praxen nicht existieren. Doch aktuell hakt es an verschiedenen Stellen in der Ausbildung. Wie der ÄKBV bei der Lösung der Probleme helfen könnte, darüber sprachen die MÄA mit Dr. Gabriel Schmidt, Vorsitzender des Ausschusses „MFA in der Zukunft“.
Austausch von Medizinischen Fachangestellten, Austausch erwünscht
Austausch von Medizinischen Fachangestellten, Austausch erwünscht

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Wie ist aktuell die Situation in der MFA-Ausbildung?

In München haben wir ca. 1.200 Ausbildungspraxen. Und zusammen mit Hamburg ist unsere Berufsschule die größte in Deutschland. 1.800 Schüler*innen werden hier in München ausgebildet. Allerdings: Die Schule muss alle ausbilden, die einen Ausbildungsvertrag haben – unabhängig von ihren Deutschkenntnissen. Wenn Sie 30 Auszubildende aus 14 verschiedenen Nationen unterrichten, und nur zwei davon Deutsch sprechen, ist es schwierig, die Unterrichtsinhalte durchzubringen. Leider zeigt sich das Problem auch in den Abschlussprüfungen: In München beträgt die Durchfallquote zum Teil über 30 Prozent! In Garmisch liegt sie nur bei elf.

Könnte man von den Azubis nicht schon vorher ein gewisses Sprachniveau verlangen?  Für eine Ausbildung in der Pflege benötigt man mindestens B2.

Man kann von den Azubis nicht erwarten, dass sie selbst schon vor Beginn der Ausbildung einen Deutschnachweis erbringen. Wir würden uns aber wünschen, dass man sie vor der Ausbildung besser in Deutsch und medizinischen Fachbegriffen schulen würde und es z.B. einen vorgeschalteten Kurs gäbe. Es sind dazu auch schon Gespräche etwa mit Krankenhäusern im Gange, die sich dies genauso wünschen. Es fehlt aber noch die Finanzierung.

Sind die fehlenden Deutschkenntnisse nicht auch ein Problem in den Praxen?

Ja, aber viele Praxen benötigen auch bestimmte Landessprachen für ihren Betrieb und bilden daher ganz bewusst MFA aus unterschiedlichen Ländern aus. Es ist angesichts eines immer internationaleren Patientenklientels ja auch gut,  wenn Sie jemanden haben, der oder die mehrere Sprachen spricht. Ob und wie es mit dem Deutsch in der Praxis klappt, hängt dann aber häufig davon ab, wie sehr sich die Azubis engagieren. Wir hatten in unserer Praxis z.B. mal eine Azubi aus Afghanistan, die mit relativ geringen Deutschkenntnissen zu uns kam. Sie hat sich dann aber so engagiert, dass sie ein wirklich gutes Examen gemacht hat, auf die Berufsoberschule gehen konnte und inzwischen sogar studiert. Man kann es also schaffen, wenn man will.

Das Ausbildungscurriculum befindet sich gerade in Überarbeitung. Wissen Sie, was für Veränderungen geplant sind?

Bayern ist mit sechs weiteren Bundesländern in der Kommission vertreten, die darüber entscheidet. Aber es wurde strengstes Stillschweigen vereinbart, so dass wir den aktuellen Stand nicht kennen.                             Als ÄKBV-Ausschuss können wir lediglich bei der Bayerischen Landesärztekammer Vorschläge einbringen, was wir auch schon getan haben. Unter anderem wünschen wir uns, dass die ganze Ausbildung aktualisiert und an den modernen Praxisablauf angepasst wird. Wir streben den Wegfall althergebrachter Untersuchungen an, die in fast keiner Praxis mehr durchgeführt werden, wie zum Beispiel die mikroskopische Leukozytenzählung. Im Gegenzug bräuchte es mehr EDV- Kenntnisse. Und wir möchten auch eine bessere Motivation zum Lernen schon während der Ausbildung durch Einbeziehung der Note aus der Zwischenprüfung in die Abschlussnote. Aktuell hat die Zwischenprüfung nach eineinhalb Jahren Ausbildung leider keinen Effekt auf die Abschlussnote. Eventuell brauchen wir auch eine Spezialisierung für einige Facharztbereiche.

Was für eine Spezialisierung könnte das sein?

Es gibt sehr viele operative Bereiche. Zwischen den konservativ arbeitenden und den rein operativ arbeitenden Praxen gibt es aber viele Unterschiede. Zusätzlich müsste man überlegen: Brauchen wir vielleicht eine Differenzierung zwischen dem Personal, das „nur“ an der Anmeldung sitzt und die bürokratischen Verwaltungsarbeiten übernimmt und denjenigen, die delegierbare ärztliche Leistungen an den Patient*innen vornehmen? Administrative Tätigkeiten könnten angesichts des Fachkräftemangels z.B. evtl. auch Bürokauffrauen oder -männer übernehmen. Für die medizinischen, delegierbaren Leistungen brauchen wir aber auf jeden Fall weiterhin die MFA. Sie benötigen ein hohes Qualifikationsniveau, denn in den letzten Jahren sind viele spezifische Untersuchungsmethoden dazugekommen.

Wäre es nicht auch eine Idee, die Ausbildung zur MFA für Allgemeinmediziner*innen und die zur MFA für Fachärzt*innen zu trennen?

Nein, denn Allgemeinärzt*innen übernehmen ja oft auch sehr viele kardiologische oder chirurgische Leistungen. Fachbereiche der Inneren Medizin vermitteln oft ähnliche Inhalte und ein ähnliches Niveau wie Hausärzt*innen. Anders ist es aber häufig in Orthopädie-, Chirurgie-, Psychiatrie-, Augen- oder Radiologiepraxen, in denen ganz andere Fähigkeiten wichtig sind. Bei den dortigen Azubis sehen wir in den praktischen Prüfungen z.B. beim Schreiben von EKGs, beim Blutdruckmessen, Urin anschauen, beim Legen von Infusionen usw. leider teilweise sehr große Defizite. Eine Auszubildende in einer radiologischen oder psychiatrischen Praxis kommt eben häufig nicht dazu, diese Fähigkeiten zu erwerben. Die Facharztpraxen können meistens nicht das komplette Spektrum der praktischen Ausbildung anbieten. Deshalb wollen wir im ÄKBV eine Initiative starten, eine Tauschbörse gründen und künftig einen Austausch von MFA zwischen Facharzt- und Hausarztpraxen ermöglichen.

Wie sehen das die MFA?

Auch die Auszubildenden wünschen sich einen Austausch zwischen Facharzt- und Hausarztpraxen. Allerdings haben mir einige Prüflinge erzählt, dass dies wegen des allgemeinen Fachkräfte- und Personalmangels in ihrer ausbildenden Praxis nicht möglich war. Das Verhältnis von gut ausgebildeten MFA zu Azubis beträgt in manchen Praxen eins zu drei. Eine MFA alleine kann sich aber nicht gut um drei Azubis kümmern. Wenn man als Praxisinhaber*in mehrere Auszubildende anstellt, sollte man daher prüfen, ob man genügend Fachkräfte hat, die diese auch ausbilden können.

Aber wie lässt sich das verbessern, wenn nun mal keine andere MFA da ist, die den „Laden schmeißen“ könnte?

Das ist genau der Punkt, weswegen wir die Tauschbörse einrichten möchten. Wer kann schon ein bis zwei Wochen auf seine Mitarbeiter*innen verzichten, wenn er oder sie dafür nicht einen Ersatz bekommt? Eine Hospitation ist meist nur bei einem Hin- und Hertausch zwischen den Praxen möglich: Eine Auszubildende aus der Hausarztpraxis arbeitet vorübergehend bei einer Fachärztin, und die Fachärztin schickt ihre Auszubildende in die Hausarztpraxis. Der Austausch soll kurz vor den Prüfungen, das heißt im dritten Lehrjahr, stattfinden. Beide Azubis dürften dann schon einen gewissen Wissensstand mitbringen. Ich kann mir gut vorstellen, dass auch eine Azubi aus einer Hausarztpraxis z.B. in einer gynäkologischen oder chirurgischen Praxis viel aus diesen Fachbereichen lernen kann. Ein Austausch könnte auch zu einem besseren gegenseitigen Verständnis zwischen den Fachgruppen beitragen.

Wie genau könnte die geplante Tauschbörse aussehen

Wir möchten es so einrichten, dass ich die an einem Austausch interessierten Kolleg*innen über die ÄKBV- Website melden können. Die meisten Hausarztpraxen vermitteln ihren Azubis die gesamten Kenntnisse für die praktische Prüfung. Das Anlegen eines EKGs z.B. kann bis zu zehn Prozent der Punkte ausmachen. Auch Blutdruck messen, Infusion anlegen, Blut abnehmen usw. bringen in der praktischen Prüfung viele Punkte. Die Prüflinge sollten all dies daher vorher gut üben können. Wir denken, dass eine MFA im letzten Lehrjahr diese Untersuchungen innerhalb von ein bis zwei Wochen lernen kann. Wie gut dies läuft, hängt aber natürlich auch von der Struktur bei der Hospitationspraxis ab. Die Auszubildende aus der Facharztpraxis darf nicht nur vorne an der Anmeldung sitzen, sondern sie muss mit einer erfahrenen MFA „mitlaufen“ können. 

Wie rechtssicher ist ein solcher Tausch? Und was haben die Praxen davon?

Die Rechtssicherheit können wir durch einen Hospitationsvertrag der Bayerischen Landesärztekammer garantieren. Darin ist z.B. klar geregelt, wer das Gehalt weiterzahlt. Nach einem Jahr möchten wir in einer Effektivitätsprüfung nachschauen, in welchem Umfang das Angebot angenommen wurde, ob wir dafür noch mehr Anreize schaffen müssen oder das Angebot sogar noch erweitern können. Wir sind sicher, dass wir allein durch diese Maßnahme die Durchfallquote senken können. 

Ich gehe davon aus, dass die meisten Hausarztpraxen als kooperative Kolleginnen und Kollegen gewillt sind, Auszubildende aus den Facharztpraxen aufzunehmen. Ihre eigenen Azubis profitieren ja auch von einer erweiterten Ausbildung in den Facharztpraxen. Die Facharztpraxen haben auch etwas davon, wenn ihre Azubis nicht durch die Prüfungen fallen. Grundsätzlich sind alle Ausbilder*innen dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass alle Lehrinhalte gelernt werden können. Mit unserer Initiative helfen wir den Kolleg*innen dabei, dieser Verpflichtung nachzukommen.

Wie könnte der ÄKBV die Azubis und damit die Praxen noch unterstützen?

An einigen Schulen gibt es derzeit an Samstagen Kurse zur Prüfungsvorbereitung. Der Samstag ist in den Praxen zu 99 Prozent frei und bietet sich daher dafür an. Wir im Ausschuss überlegen, ebenfalls an Samstagen und an Mittwochnachmittagen eigene Kurse anzubieten. Vernünftigerweise müsste dann aber der oder die Auszubildende an einem anderen Tag frei bekommen. Mit den Kursen möchten wir zweimal im Jahr die überbetriebliche Ausbildung durchführen, zum Beispiel von Mai bis Juni vor den Prüfungen im Juli und nochmals im Winter von Oktober bis Dezember. Inhaltlich könnten wir in den Kursen die 30 Prüfungsmodule für die praktische Prüfung mit den Auszubildenden durchgehen, damit sie eventuelle Defizite erkennen und vielleicht noch in einem Praktikum die Wissenslücken schließen können. Dieses Modell der eigenen Kurse läuft bei einigen Kreisverbänden in Bayern hervorragend, zum Beispiel in Augsburg oder in Weiden.

Würden Sie trotz aller Schwierigkeiten immer noch für den Beruf der MFA werben?

Ja, MFA ist immer noch ein Beruf mit Zukunft. Es wird keine ambulante Medizin ohne MFA geben.                              Für MFA gibt es inzwischen auch einige Aufstiegsmöglichkeiten – zum Beispiel als Versorgungsassistent*in in der Hausarztpraxis (VERAH) oder als Fachwirt*in für ambulante medizinische Versorgung. Durch den „Altersberg“, der demnächst noch stärker auf uns zurollen wird, benötigen wir künftig eher noch mehr Unterstützung, etwa für die Patient*innen, die nicht unbedingt eine Behandlung durch einen Arzt oder eine Ärztin benötigen, sondern vielmehr eine Mischung aus medizinischen und pflegerischen Leistungen mit viel Empathie. Leider hat man offenbar vergessen, welche super Leistungen MFA während der Pandemie gebracht haben. Insgesamt brauchen MFA in der Gesellschaft mehr Anerkennung und Wertschätzung. Den Begriff der Sprechstundenhilfe möchte ich aus dem deutschen Wortschatz gestrichen haben! Wir beschäftigen ausgebildetes Fach- personal, keine Hilfskräfte.

Stephanie Hügler

MÄA 08/2024 vom 09.04.2024