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Die Perspektive der Auszubildenden. „Man kann etwas bewirken“

Was denken Auszubildende über Ihren Beruf? Die MÄA sprachen kurz vor ihren Prüfungen mit zwei Absolventinnen.

Frau Kitzmann, Frau Million, warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?

Kitzmann: Meine Mutter ist gelernte Anästhesieschwester und hat ihr ganzes Leben in der Pflege gearbeitet. Ich habe mich immer sehr für Medizin interessiert, wollte aber nie als Pflegefachkraft arbeiten, weil meine Mutter durch den Schichtdienst oft nicht zu Hause sein konnte. Million: Ich habe nach meinem Realschulabschluss erstmal eine Musicalausbildung gemacht, wusste aber: Ich brauche noch etwas Festes. Ich wollte schon immer im sozialen Bereich arbeiten, und Medizin fand ich schon immer super spannend. Ärztin zu werden, habe ich mir aber nicht zugetraut, und es ging auch nicht, weil ich kein Abitur habe.

Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit Spaß?

Million: Ich arbeite in einer Münchner Hausarztpraxis und bin dazu von Stuttgart hierher gezogen. Die Praxis fand ich für die Ausbildung sehr gut, weil man dort in Verschiedenes einen Einblick bekommt. Wir machen viel Seniorenmedizin, und viele Leute haben niemanden und freuen sich sehr, wenn man mit ihnen redet. Diese Patienten*innen schließt man oft ein bisschen ins Herz. Kitzmann: Ich bin aus Sachsen-Anhalt hierher gezogen. Meine Ausbildung habe ich am LMU-Klinikum in der Hämatologie/Onkologie abgeschlossen und konnte in diesem Bereich verschiedene Stationen und Ambulanzen durchlaufen. Aktuell bin ich immer noch in der Hämatologie/ Onkologie. Auch mir macht es viel Freude, mit den krebskranken Patient*innen zu arbeiten und für sie da zu sein, denn viele Menschen auf der Station haben niemanden mehr oder dürfen nicht besucht werden, weil sie isoliert sind. 

Was lief gut bei der betrieblichen Ausbildung? Gab es auch Konflikte?

Kitzmann: Wenn ich Hilfe brauche, bekomme ich sie auch. Ich verstehe mich auch wirklich gut mit allen, auch mit den Assistenz- und Stationsärzt*innen. Konflikte habe ich bis jetzt noch nicht mitbekommen. Wenn es ein Problem gibt, redet unser Oberarzt mit allen Beteiligten unter vier Augen und sucht nach einer Lösung. Oft sind es einfach Missverständnisse. Million: Auch ich kann mit Fragen jederzeit zu meiner Chefin kommen. Sie hat mich auch am Anfang oft gefragt, ob es mir gut geht – was mir gefällt, und was nicht. Vor der Prüfung durfte ich meine Unterlagen zum Lernen mitnehmen und konnte lernen, wenn mal nicht so viel los war.

Gab es auch Herausforderungen? Sind Sie mal an Ihre Grenzen gestoßen?

Kitzmann: Bei uns sind die Azubis manchmal für ein paar Tage alleine, wenn es nicht anders geht, und dann hat man viele Blutabnahmen bzw. muss viele Nadeln legen. Wir sind nicht so viele, und jede Station hat nur eine MFA. An einem solchen Tag komme ich auch mal an meine Grenzen. Manchmal ist es einfach sehr viel. Million: Auch wir sind manchmal einfach zu wenig Leute. In meinen ersten Wochen war eine Kollegin drei Wochen lang krank. Ich musste gleich allein die ganze Anmeldung übernehmen. Davon war ich am Anfang schon ein bisschen überfordert. In der Seniorenmedizin melden sich auch oft die Pflegedienste, und wenn dann das Wartezimmer voll ist, stresst es einen. Auch Anfang 2024 war ich mit meiner Ausbilderin allein, weil eine Kollegin gekündigt hatte. Wenn ich dann montags nach einem Zehn-Stunden-Tag nach Hause komme, gehe ich sofort schlafen. Und wenn man so müde ist, ist es schwierig, die Motivation für den nächsten Tag aufzubringen. 

Durften Sie während der Ausbildung in andere Betriebe oder Fachrichtungen „reinschnuppern“?

Million: Bei mir war es leider nicht möglich. Mich würden noch andere Fachrichtungen interessieren, z.B. die Radiologie, denn wir röntgen in der Praxis nicht. Das Schöne bei einer hausärztlichen Ausbildung ist andererseits, dass man immer die gleichen Patient*innen hat. Kitzmann: Auch bei mir war es leider nicht möglich, obwohl ich es mir gewünscht hätte. In unserer Poliklinik haben wir jeden Tag etwa fünf Anfragen für Erstvorstellungen. Unser Patientenklientel wechselt stark durch, und wenn auch die Nachsorgen abgeschlossen sind, sieht man die Patient*innen meistens nicht mehr. 

Gab es auch übergriffige Patient*innen?

Kitzmann: Ganz am Anfang meiner Ausbildung habe ich die mir übertragenen Aufgaben noch nicht ganz perfekt beherrscht. Einer meiner Patienten hat darauf leider gar nicht begeistert reagiert. Zum Glück bin ich ihm danach nicht wieder begegnet. Million: Bei mir ging nie etwas persönlich gegen mich, aber wir hatten einmal einen Patienten, der alle beleidigt hat. Oft kam er viel zu früh zum Termin und ist ausgerastet, wenn er warten musste. Irgendwann haben wir ihm gesagt, dass wir das nicht mehr wollen. Es ist ja auch für die anderen Patient*innen im Wartezimmer unangenehm, wenn jemand ständig rumschreit.

Was macht für Sie gute Chef*innen oder eine gute Atmosphäre in der Praxis aus?

Kitzmann: Ich finde es wichtig, dass man mit einem Chef über Probleme reden kann, dass man gehört wird und eventuell auch Lösungsvorschläge gebracht werden. Dass man sich auf Chef oder Chefin verlassen kann. Million: Ich wünsche mir ein gutes Verhältnis, dass man auch privat ein bisschen quatschen kann, nicht nur als Arbeitskollegin, sondern dass man auch ein bisschen etwas über die Person weiß. Dass man ein gutes Gefühl hat und gerne zur Arbeit kommt.

Was könnte man an der schulischen Ausbildung verbessern?

Kitzmann: Ich fand es gut, dass wir einmal in der Woche Schule hatten statt einen mehrwöchigen Blockunterricht. Dadurch konnte man das theoretisch Gelernte gleich praktisch anwenden und während der Schule ein bisschen von der Arbeit abschalten. Million: Bei der Arbeit machen wir einige Sachen anders als für die Prüfung. Oder teilweise auch gar nicht. Es war gut, dass wir das in der Schule gelernt haben.

Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?

Million: Ich wünsche mir einen tollen neuen Arbeitsplatz mit tollen Kolleg*innen, lieben Patient*innen, für die ich gerne aufstehe und länger arbeite. Wo ich etwas bewirken kann. In unserem Beruf kann man etwas bewirken, indem man zuhört und mit denen redet, die niemanden haben. Kitzmann: Mein Traumjob ist es, bei uns in der Studienzentrale für Hämatologie bzw. Onkologie zu arbeiten, wo ich schon einmal war. Das Team ist super, und man hat viel Abwechslung. Dort kann man auf jeden Fall etwas bewirken. Damit können wir vielen Patient*innen helfen.

Das Gespräch führte Stephanie Hügler 

MÄA 8/2025