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Die Sicht des Ausbildungsberaters. Motivation ist das A & O

Seit sechs Jahren arbeitet Dr. Arthur Grünerbel als ÄKBV-Ausbildungsberater für MFA. Im Gespräch mit den MÄA schilderte er seine Erfahrungen und Wünsche.

Herr Dr. Grünerbel, was ist Ihre Rolle als Ausbildungsberater?

Ich kann bei Problemen zwischen Auszubildenden und Ausbilder*innen einwirken und vermitteln. Im letzten Jahr haben mich etwa zehn Azubis angerufen. Dann spreche ich mit ihnen darüber und nehme auch mal Kontakt zu den Ausbildenden auf, wenn die Azubis das möchten. Das ist bisher aber nur sehr selten passiert. Manchmal kam es zu einem zweiten Kontakt mit den Azubis. Häufig kam aber schon nach zwei bis drei Wochen die Nachricht: „Es hat sich erledigt." 

Auszubilden ist für Ärztinnen und Ärzte ein großer Aufwand. Genau. Ich warne davor, Azubis als billige Arbeitskraft zu sehen, um die ich mich nicht kümmern muss. Man muss sowohl Zeit als auch Geld investieren. Dafür kann man später seinen laufenden Personalbedarf aus einem Grundstock guter Mitarbeitenden decken. Auszubilden lohnt sich immer. Wir zum Beispiel haben bisher 22 Azubis beschäftigt, darunter zwei Männer. Wir sind eine internistische Praxis mit Schwerpunkt Diabetologie, arbeiten aber auch mit einem hausärztlichen Kollegen zusammen. Die Azubis lernen also aus beiden Fachrichtungen alles, was sie für den Beruf brauchen – außer Mikroskopieren, denn der Urin wird im Zentrallabor billiger untersucht.

Was sind die größten Herausforderungen?

Bewerbungen von rein muttersprachlich Deutschen hatten wir in unserer Praxis schon lange nicht mehr, und einige Bewerber*innen können wirklich nur sehr schlecht Deutsch. Die MFA müssen aber mit den Patient*innen sprechen und ihre Tätigkeit auf Deutsch dokumentieren können, denn einiges davon brauchen wir später für den Arztbrief. Wenn die Azubis sehr motiviert sind, gibt es aber Lösungen. In unserer Praxis hatten wir zum Beispiel einmal eine sehr nette Azubi aus dem ländlichen Bosnien, die schon im ersten Lehrjahr im Unterricht nicht mitkam und bei den Prüfungen schlecht abschnitt. Weil wir sie als Person und Mitarbeiterin aber sehr geschätzt haben und sie sehr motiviert war, haben wir ihr angeboten, ein Jahr lang bei uns auf Minijobbasis zu arbeiten, parallel einen Deutschkurs zu machen und mit dem zweiten Lehrjahr wieder bei uns anzufangen. Das hat perfekt funktioniert, und sie war uns für diese Chance sehr dankbar. Schwieriger ist es, wenn die oft sehr jungen Azubis nicht wissen, wie man sich gegenüber Patient*innen oder Vorgesetzten benimmt. Eine unserer Auszubildenden aus einem muslimischen Land hatte offenbar Angst davor, Menschen beim Blutdruckmessen oder in die Jacke helfen zu berühren. Obwohl wir mit ihr und ihren Eltern zweimal darüber gesprochen haben, hat sich leider nichts geändert, und so konnten wir sie nicht weiter beschäftigen. Wir hatten allerdings auch mal eine deutsche Mitarbeiterin, die gegenüber den Patient*innen sehr direkt war und bei der sich nach mehreren Gesprächen mit den ebenfalls sehr direkten Eltern auch nichts geändert hat. Bei Problemen mit der Pünktlichkeit wirkt das Team oft auf die Azubis ein, weil sie sonst deren Arbeit machen müssen.

Was erzählen die Azubis?

Manchmal ist jemand unzufrieden damit, wie Chef oder Chefin mit ihr oder ihm umgehen. Teilweise beruht es auf Gegenseitigkeit, manchmal hat es sich schon aufgeschaukelt. Wenn beide Seiten die Bereitschaft dazu haben, kann man solche Probleme aber lösen. Nicht immer hängen die Schwierigkeiten mit schlechter Bildung zusammen. Wir hatten einmal eine Auszubildende, die den Quali nicht geschafft hatte und deshalb ohne Abschluss dastand. Weil sie ein freundliches Wesen hatte und schulisch vielleicht einfach nur ein Spätzünder war, haben wir uns aber trotzdem für sie als Auszubildende entschieden. Sie war ein sehr positiver Mensch und hat die Lehre am Ende bei uns gut abgeschlossen.

 Was raten Sie Kolleg*innen bei Problemen mit der Ausbildung?

 Sie können sich immer an mich wenden. Im ersten Schritt sollten sie aber mit dem oder der Auszubildenden selbst sprechen. Wenn das nicht hilft, kann man ein- oder zweimal die Eltern einbestellen. Und wenn sich dann immer noch nichts tut, haben wir auch mal den Kontakt mit der Berufsschule gesucht und dort nachgefragt. Wenn ein*e Azubi aber z.B. immer zu spät zur Arbeit kommt, ist das ein Kündigungsgrund.

Was sollten unzufriedene Auszubildende beherzigen? 

Sie sollten sich zunächst darüber klar werden, warum das der Fall ist. Weil sie etwas lernen müssen, oder weil die anderen Mitarbeiter*innen sie kritisieren? Man muss sich etwas sagen lassen – nur so lernt man etwas. Man kann sich fragen: Liegt es auch ein bisschen an meinem Verhalten, und kann ich etwas ändern? Mit schlecht gelaunten Patient*innen kann man lernen umzugehen. Und wenn man unglücklich ist, weil man immer um sechs aufstehen muss, kann man fragen, ob man vielleicht in der Spätschicht arbeiten kann. Das Wichtigste ist, darüber zu reden. 

Was wünschen Sie sich von der Berufsschule? 

Ich fände es sehr gut, wenn es bei Problemen eine rechtzeitige Kommunikation mit der Schule gäbe. Sie könnten uns eine Email schreiben, damit wir einen Telefontermin vereinbaren können. Wir hatten z.B. einmal eine Mitarbeiterin, die immer zu spät in die Schule kam und zum Teil auch geschwänzt hat. Damals haben wir das aus unserer Sicht viel zu spät erfahren und konnten dann leider nicht mehr viel machen. Was wünschen Sie sich von der Politik? Dass die MFA-Ausbildung als Bachelorstudium angelegt wird. Dann würden sich bestimmt mehr junge Menschen dafür interessieren. Ein Bachelor-Studium dauert in der Regel drei Jahre – genauso lang wie die Ausbildung. So jemand kommt für eine kleine Hausarztpraxis nicht in Frage, und ich möchte auch nicht, dass die Lehre mit Berufsschule abgeschafft wird. Aber in etwas größeren Praxen, die auch leitendes Personal benötigen, wären Bachelor-Absolvent*innen sehr gefragt. Derzeit müssen solche Mitarbeiter*innen zusätzlich fortgebildet und z.B. zum Fachwirtkurs für ambulante medizinische Versorgung geschickt werden.

Das Gespräch führte Stephanie Hügler

MÄA 8/2025

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