Neue Ordnung für Münchens Krankenhäuser?
In seinem Vortrag machte er klar: Eine neue Ordnung für die MüK ist aus seiner Sicht alternativlos. Derzeit änderten sich die Rahmenbedingungen für die Kliniken bundesweit, betonte Brodermann. Mitte Juli solle der Referentenentwurf zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) ins Parlament gehen. Und auch ein Notfallreformgesetz werde kommen. Gleichzeitig bildeten sich immer mehr Zentren. „Die Medizin ist nicht mehr, was sie mal war“, sagte der Referent. Mit Vorgaben zu Qualität und Mindestmengen, zu Personaluntergrenzen, Digitalisierung und der Finanzierung durch „Leistungsgruppen“ hätten Politik und Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) ein „scharfes Schwert“, ihre Anliegen durchzusetzen. Viele heute stationäre Leistungen dürften künftig nur noch ambulant erbracht werden. Diese Rahmenbedingungen erforderten ein aktives Handeln.
Statt an den meisten Standorten mehr oder weniger die gleichen Leistungen anzubieten, sollen Schwabing und Neuperlach künftig ausschließlich die Grundversorgung übernehmen, während Bogenhausen im Norden und Harlaching im Süden als spezialisierte Zentren Hochleistungsmedizin betreiben werden. Die bisher gemeinsam mit der LMU betriebene Hautklinik in der Thalkirchner Straße wechselt nach Bogenhausen. Jeder Standort soll ein „klares medizinisches Profil“ bekommen. Die Häuser sollen sich „perfekt“ ergänzen und gemeinsam mit der Telemedizin die Versorgung in der Fläche gewährleisten. Neue Ordnung für Münchens Krankenhäuser? Delegiertenversammlung Betten sollen explizit nicht abgebaut werden, und die München Klinik soll weiter „kommunale Daseinsversorgerin“ für München bleiben – mit großen, stabilen Pflegeteams und Notaufnahmen an allen vier verbliebenen Standorten. Die Notfallversorgung werde sich künftig allerdings bedarfsgerecht am Schweregrad der Erkrankung orientieren.
Die umfassende stationäre Notfallversorgung der G-BA-Notfallstufe 3 übernehmen künftig die beiden verbliebenen Maximalversorger Bogenhausen und Harlaching mit überregionalen Traumazentren, auch für die Alterstraumatologie. Beide Standorte verfügen künftig über onkologische Zentren, ein Herz- und Gefäßzentrum und ein Neurozentrum mit neurologisch-neurochirurgischer Frührehabilitation. In Harlaching kommen die Telemedizin und ein Palliativzentrum hinzu. Bogenhausen ergänzt sein Portfolio durch die Kardiologie und weitere wichtige Schwerpunkte wie Infektiologie, Dermatologie, HNO und eine spezialisierte palliativmedizinische Versorgung.
Neuperlach und Schwabing übernehmen weiter eine Basisnotfallversorgung durch Fachärzt*innen der Inneren Medizin, der Chirurgie und der Intensivmedizin. Beide Grundversorger erhalten jeweils ein geriatrisches Kompetenzzentrum. Neuperlach behält ein Weaning-Zentrum. In einem hoch spezialisierten Eltern-Kind-Zentrum in Schwabing und durch einen Ausbau der Geburtshilfe in Harlaching werde die Versorgung von Müttern und Kindern sichergestellt, erklärte Brodermann. 1.500 Geburten mehr sollen künftig in Harlaching möglich werden. So würden Menschen mit besonderem Versorgungsbedarf – die ganz Jungen und die ganz Alten – weiterhin gut versorgt, sozusagen „von der Wiege bis zur Bahre“.
Das Konzept „MüK 20++“ sei im Austausch mit über 150 Expert*innen entwickelt worden. Es verspreche mehr Qualität und eine hohe Verfügbarkeit. Durch die ausschließliche Behandlung von Schlaganfällen an Stroke Units beispielsweise ließen sich laut Studien bundesweit mehr als 5.000 Todesfälle im ersten Jahr vermeiden. Durch die ausschließliche Versorgung von Krebspatient*innen an spezialisierten Zentren steige der Überlebensvorteil auf rund 20.000 zusätzliche Lebensjahre jährlich.
Brodermanns Vortrag stieß insgesamt auf Verständnis, führte aber auch zu Fragen und Befürchtungen: Inwieweit die Zusammenarbeit mit Niedergelassenen geplant sei, wollte eine Delegierte wissen. Man wolle nicht „auf Teufel komm raus“ sein eigenes Ding machen, antwortete der MüK-Geschäftsführer, sondern sei für eine Zusammenarbeit mit Partnerpraxen vor Ort offen. „Wir werden uns ergänzen und eng zusammenarbeiten“.
Ein anderer Delegierter lobte zwar die Beteiligung der Expert*innen und Mitarbeitenden, befürchtete aber lange Wartelisten in den spezialisierten Zentren. Eine Blinddarmentzündung oder einfache Frakturen könnten auch in Schwabing oder Neuperlach schnell behandelt werden, antwortete Brodermann. Und Krebspatient*innen drängten sowieso in die spezialisierten Zentren. Zu kleine Krankenhäuser könnten häufig auch nicht richtig handeln, wenn etwa von zwei Ärzt*innen einer krank und eine im Urlaub seien. Ein Delegierter bedauerte, dass die Infektiologie nun nach Bogenhausen verlegt werde, wo Schwabing doch bundesweit die ersten Corona-Patient*innen versorgt habe. Auch er trauere der alten Zeit hinterher, gab Brodermann zu, aber der Gesetzgeber gebe nun einmal die Rahmenbedingungen vor.
Eine Delegierte forderte, dass auch andere Kliniken in München diesen Weg gehen sollten, äußerte aber gleichzeitig die Befürchtung, dass einige eine solche Umstrukturierung nicht schaffen würden. Brodermann erwiderte, es habe in München bisher nie eine „vernünftige Gesamtplanung“ gegeben. Klar sei aber, dass Kliniken wie die in Schwabing für eine frühere, andere Medizin gebaut wurden und daher für die jetzige nicht adäquat seien. Auch Kliniken wie die Barmherzigen Brüder und der Dritte Orden planten im Übrigen eine Fusionierung. Im Vergleich etwa zu Brandenburg sei man hier in Bayern insgesamt mit vielen Krankenhäusern gesegnet.
Eine weitere Delegierte bemängelte die langen Anfahrtswege nach Harlaching und Bogenhausen aus Stadtteilen links der Isar. Durch die vielen Staus stelle der Fluss quasi eine Art „Limes“ dar. Da manche Notfallpatient*innen den Transport sonst nicht überleben würden, überweise sie ihre Patient*innen schon jetzt nur an näher gelegene Kliniken. Statt einer immer größeren Spezialisierung brauche es künftig mehr hochspezialisierte Generalist*innen. Ein Delegierter forderte eine bedarfsgerechte, trägerübergreifende Krankenhausplanung für ganz München und bot die Unterstützung des ÄKBV dabei an. Die Staatsregierung plane Krankenhäuser noch nach der alten Systematik ausschließlich über Betten, ergänzte der Referent. „Wir aber brauchen einen Paradigmenwechsel“!
Stephanie Hügler
15/2024