Cannabis-Zentren: Achtung, Falle!
Die Bundesregierung will die bisher illegale Droge Cannabis unter bestimmten Bedingungen für den privaten Konsum legalisieren. Der Gesetzentwurf (Stand 29.11.2023) sieht unter anderem den legalen Besitz und Konsum von bis zu 25 Gramm Cannabis im öffentlichen Raum für Erwachsene vor. Zulässig wären auch der private Eigenanbau, der gemeinschaftliche nichtgewerbliche Eigenanbau und die kontrollierte Weitergabe von Cannabis durch Anbauvereinigungen. Schon werben sogenannte „Cannabis-Zentren“ mit dem Konsum auf Privatrezept. Doch Vorsicht: die Kooperationen mit ihnen bergen für Ärztinnen und Ärzte große Gefahren.
Auch in München entstehen bereits die ersten „Cannabis-Zentren“. Konsument*innen sollen dort von approbierten Ärztinnen und Ärzten Cannabis auf Privatrezept erhalten – und zwar nicht solche, die Cannabis als Medikament benötigen, sondern auch „Genuss-Kiffer“. Das Modell ist nicht nur dubios. Durch unrechtmäßige Betäubungsmittelverordnungen drohen dort tätigen Ärztinnen und Ärzten auch berufs-und vor allem strafrechtliche Sanktionen, bis hin zum Approbationsentzug. Die Betreiber der Zentren stellen ihnen häufig gegen ein Entgelt kleine „Beratungszimmer“ zur Verfügung – in einem konkreten Fall für einen Euro Grundmiete pro Monat. Mangels Ausstattung ist eine ärztliche Untersuchung bzw. Behandlung dort oft nicht möglich. Zusätzlich zahlen Ärztinnen und Ärzte oft auch prozentuale Abgaben auf die Gebühren der Patient*innen – häufig an Inkasso-Dienste – beispielsweise für Erstrezepte, Folgerezepte oder sog. Schengen-Bescheinigung (Bescheinigung für das Mitführen von Betäubungsmitteln im Rahmen einer ärztlichen Behandlung nach Art. 75 des Schengener Durchführungsabkommens). Nicht selten bestehen enge Beziehungen zwischen den Betreiber*innen des Zentrums und einer Apotheke, in der das Cannabis-Rezept eingelöst werden kann.
Schon seit März 2017 dürfen Vertragsärztinnen und -ärzte ihren Patient*innen unter engen rechtlichen Voraussetzungen zu Lasten der GKV Medizinalcannabis verordnen. Gemäß § 31 Abs. 6 SGB V gilt der Anspruch auf Versorgung mit Cannabis aber nur, wenn eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder diese im Einzelfall ausnahmsweise nicht angewendet werden kann und eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
In den Cannabis-Zentren hingegen geht es um das Ausstellen von Privatrezepten. Zur Verschreibung von Betäubungsmitteln auf einem Betäubungsmittelrezept sind grundsätzlich alle approbierten Ärztinnen und Ärzte befugt. Dies gilt u.a. auch für Cannabisextrakte und Cannabisblüten, Dronabinol und Nabilon. Neben arzneimittelrechtlichen sind vor allem betäubungsmittelrechtliche Vorgaben zu beachten.
Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und die Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) legen genaue Anforderungen fest: Betäubungsmittel dürfen gemäß § 13 Abs. 1 BtMG nur verschrieben werden, wenn ihre Anwendung begründet ist und der beabsichtigte Zweck auf andere Weise nicht erreicht werden kann. Eine Verschreibung wird als begründet angesehen, wenn der Arzt oder die Ärztin aufgrund eigener Untersuchung zu der Überzeugung gekommen ist, dass die Anwendung nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft zulässig und geboten ist. Ein Verschreiben von Betäubungsmitteln ist nur zu therapeutischen oder diagnostischen Zwecken zulässig. Die Verschreibenden müssen sich vorher von der Indikation durch persönlich erhobene Befunde überzeugen und zumindest eine orientierende körperliche Untersuchung durchführen, um die geschilderten Beschwerden festzustellen. Unstreitig ist: Ein Verordnen von Cannabis für andere Zwecke, etwa zu Genusszwecken, ist nicht gestattet.
Die Nichteinhaltung dieser Vorschriften zieht ernsthafte rechtliche Konsequenzen nach sich. So begründet die Verschreibung ohne ärztliche Begründetheit nach § 29 BtmG eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bedroht ist. Unabhängig davon droht der Verlust der Approbation. Nach der Rechtsprechung sind Ärztinnen und Ärzte zur Ausübung ihres ärztlichen Berufs unwürdig, wenn sie durch ihr Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzen, das für die Ausübung ihres Berufs unabdingbar ist. Die unzulässige Verordnung von Betäubungsmitteln stellt ein schwerwiegendes Fehlverhalten dar und ist geeignet, eine weitere Berufsausübung untragbar erscheinen zu lassen.
Eine ärztliche Tätigkeit in einem Cannabis-Zentrum ist darüber hinaus auch aus anderen Gründen sorgfältig zu prüfen: Nach § 17 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns (BO) müssen Ärztinnen und Ärzte ihre ambulante selbständige Tätigkeit an einem bestimmten Praxissitz ausüben. Daneben ist es ihnen gestattet, in bis zu zwei weiteren Praxen selbständig tätig zu sein. Der Praxissitz und weitere Praxen sind durch ein Praxisschild mit bestimmten Angaben kenntlich zu machen, die Tätigkeit ist dem Ärztlichen Bezirksverband anzuzeigen. Ärztinnen und Ärzten ist es verboten, ihren Beruf im Umherziehen auszuüben. Eine stundenweise ärztliche Betätigung in einem Cannabis-Zentrum ohne Einhaltung dieser Vorgaben stellt einen berufsrechtlichen Verstoß dar. Unabhängig davon empfehlen wir allen Ärztinnen und Ärzten alleine schon aus haftungsrechtlichen Gründen, Patient*innen nicht in Räumen ohne eine entsprechende Praxisinfrastruktur zu behandeln.
Dass die ärztlichen Gebühren von den Betreibern eingezogen werden lässt zudem sämtliche datenschutzrechtlichen Vorgaben des ärztlichen Handelns außer Acht. Gleiches gilt für die ärztliche Vergütung: § 10 Abs. 1 Satz 2 GOÄ sieht ein Verbot von Pauschalen vor. Die ärztliche Leistung kann nur nach den Maßgaben der GOÄ erfolgen.
Wir können Ärztinnen Ärzte nur davor warnen, ohne eingehende rechtliche Prüfung Kooperationen mit derartigen Cannabis-Zentren einzugehen. Daran ändert vor allem die von den Betreibern derartiger Zentren häufig verwendete Beteuerung nichts, es sei „alles rechtlich geprüft und man müsse keine Bedenken haben“. Die Konsequenzen für sie sind gering, für Ärztinnen und Ärzte aber unter Umständen existenzvernichtend.
Münchner Ärztliche Anzeigen 1/2024