Zoonosen. An Hasenpest denken
Warum ist das Thema „Hasenpest“ in und um München aktuell?
Die Hasenpest ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die auch in Bayern und München mit zuletzt steigender Tendenz bei Menschen vorkommt. Alleine in Bayern gab es im vorigen Jahr 71 Fälle. Verursacht wird die Hasenpest durch das gram-negative Bakterium Francisella tularensis. Der Erreger ist sehr widerstandsfähig in der Umwelt und kann auch bei kalten Temperaturen persistieren. Es handelt sich um eine klassische Zoonose, das heißt, einen Erreger, der vom Tierreich auf Menschen übergehen kann. Die Bakteriengattung Francisella spp. kommt in verschiedenen Kleinsäugern wie Hasen, Kaninchen und Mäusen, aber auch in anderen Wild- sowie Haustieren vor, wobei der Erreger auch in der Erde und dem Wasser nachgewiesen werden kann.
Der Erreger ist sehr infektiös. Bereits etwa zehn Bakterien reichen zur Infektion aus, wobei vor allem Kontakt zu lebenden, infizierten Tieren, Kontakt im Rahmen der Schlachtung, Aufnahme über kontaminiertes Wasser und ungenügend gegarte und kontaminierte Lebensmittel oder auch Insektenstiche oder -bisse – etwa durch Mücken und Zecken – oder Aerosole als Übertragungsweg eine Rolle spielen. Die Inkubationszeit, also die Zeit zwischen Kontakt und erstmaligen Symptomen, liegt in der Regel bei wenigen Tagen.
Bei welchen Symptomen sollten Ärztinnen und Ärzte auch eine eventuelle Infektion mit Hasenpest abklären?
Es gibt im Wesentlichen vier verschiedene Verlaufsformen:
■ (Ulzero)glanduläre Form: Nach Hautkontakt kommt es zunächst zu einer ulzerierenden Läsion mit lokoregionaler Lymphknotenschwellung.
■ Oculoglanduläre Form: Nach Infektion des Auges kommt es zunächst zum Bild einer Konjunktivitis mit lokoregionaler Lymphknotenschwellung.
■ Oropharyngeale Form: Nach oraler Aufnahme des Erregers kommt es zum Bild einer Pharyngitis, Tonsillitis, zervikale Lymphknotenschwellung und auch intestinaler Schleimhautbeteiligung mit gastrointestinalen Blutungen.
■ Pulmonale Form: Nach Aufnahme von Aerosolen kommt es zur Pneumonie mit Husten und Atemwegssymptomen sowie Lymphadenopathie.
In allen Verlaufsformen kann es zur systemischen Infektion mit Fieber, Nachtschweiß, Lymphadenopathie und laborchemischer Erhöhung der Entzündungszeichen kommen. Bei komplizierten Verlaufsformen kann es zu Septikämie mit Nieren-, Leber und Herzklappenbeteiligung kommen. Auch wenn bei den in Europa zirkulierenden Erregern höhere Raten an Spontanheilungen beschrieben sind, kann die Tularämie in 30 bis 60 Prozent tödlich verlaufen.
Wie lässt sich die bakterielle Infektionskrankheit diagnostizieren?
Der Erreger kann kulturell aus Blutkulturen angezüchtet werden, was vor allem bei Septikämien regelhaft gelingt. Die Diagnose kann auch aus Lymphknoten gelingen, sofern diese einer mikrobiologischen Diagnostik zugeführt werden. Regelhaft kann ein indirekter Erregernachweis mittels Serologie gelingen, insbesondere wenn die Symptome seit Tagen bis Wochen bestehen. Zwischenzeitlich kann auch eine Erregerdirektnachweismethode mittels Nukleinsäureamplifikation (NAAT/PCR) erfolgen.
Wie erfolgt die Behandlung und wie erfolgreich ist die Therapie?
Wichtig ist vor allem die differential-diagnostische Erwägung der Tularämie bei den beschrieben klinischen Verlaufsformen. Um komplizierte Verläufe zu vermeiden, ist eine frühzeitige antimikrobielle Therapie entscheidend. Wirksam sind vor allem Aminoglycoside, Fluorchinolone, Tetracycline, Chloramphenicol und Rifampicin. Penicilline und andere Beta-Lactam-Antibiotika sind wirkungslos. Makrolide sollen nur zum Einsatz kommen, sofern die Empfindlichkeit des Erregers gezeigt wurde. Wir behandeln in der Regel leichte und mittelschwere Infektionen mit Ciprofloxacin 500 mg BD über zehn bis 14 Tage, wobei bei Hinweisen auf eine schwere Infektion (bspw. Meningitits oder Endokarditis) eine Kombination mit Gentamycin 5 mg/kgKG i.v. diskutiert werden soll.
Hat Ihr Team am TUM Klinikum in den vergangenen Wochen bereits einen Menschen mit einem schweren Hasenpest-Verlauf behandelt?
Ja, wir behandeln regelhaft Fälle von Tularämie. In der Regel wurde die Differentialdiagnose einer Francisellose zuvor nicht regelhaft erwogen. Unseren letzten Fall beobachteten wir vor einigen Tagen bei einem jungen Patienten mit ulzerierender Läsion am Hals, einer cervikalen Lymphadenopathie, einer Tonisllitis, Erythema nodosa und Fieber. Auf eine Therapie mit Fluorchinolonen heilte die Erkrankung folgenlos aus.
Interview: Stephanie Hügler
(MÄA 16/2025)