Leitartikel

Medizinische Fachangestellte-Praxisarbeit Hand in Hand

Gute Medizinische Fachangestellte (MFA) sind rar. Was ist für MFA in der Praxis wichtig? Wie ging es ihnen in der Pandemie? Und was müsste geschehen, um den Beruf attraktiver zu machen? Die MÄA sprachen darüber mit zwei MFA.
Medizinische Fachangestellte
Medizinische Fachangestellte

Frau Cardoso, Frau Stadlmair, warum haben Sie sich für die Ausbildung zur MFA entschieden?

Stadlmair: Eine Freundin, die diese Ausbildung ebenfalls gemacht hat und davon sehr begeistert war, hat mich auf die Idee gebracht. Nach der mittleren Reife und einem freiwilligen sozialen Jahr wusste ich nicht, was ich machen sollte. Ich fand Medizin immer schon interessant, wollte aber nicht studieren, weil ich dann noch das Abitur hätte nachmachen müssen.

Cardoso: Ich hatte auch schon immer ein Interesse an medizinischer Ästhetik und habe mich daher für die Ausbildung zur MFA beim Dermatologen entschieden. Andere Fachrichtungen wären für mich weniger in Frage gekommen.


Wie fanden Sie die Ausbildung und wie ist jetzt die Arbeit?

Stadlmair: Ich fand die Ausbildung gut machbar. Ich durfte in meinem Betrieb von Anfang an mit in den OP und habe dort alles gelernt, was wichtig war. Die Schule war nicht so schwierig wie ich mir das vorgestellt hatte. Die Arbeit macht mir noch immer Spaß, obwohl das natürlich auch vom Tag und den Patient*innen abhängt. Es gefällt mir, dass ich als Erstkraft nun selbst für eine Auszubildende zuständig bin, dass ich gefordert werde und es nicht immer das Gleiche ist. Hätte ich die Erstkraftposition nicht, wäre die Arbeit über die Jahre vielleicht schon etwas eintönig. Dann würde ich wahrscheinlich irgendwann eine andere Ausbildung machen wollen.

Cardoso: Bei mir ist es ähnlich. Ich fand es sehr interessant, nochmal in die Schule zu gehen und mehr über Medizin zu erfahren. Die Abwechslung zwischen praktischer Ausbildung und Schule hat mir gefallen. Meine Arbeit als Erstkraft ist fordernd, aber ich kann es mir nicht anders vorstellen. Wie viel Spaß es macht hängt nicht nur von den Patient*innen ab, sondern auch von den Kolleg*innen. Wenn es mit dem Team nicht passt, macht es wenig Spaß.


Wie treten die Patient*innen Ihnen gegenüber auf?

Stadlmair: An manchen Tagen sind alle höflich und respektvoll, an anderen haben alle schlechte Laune. Das kann ziemlich anstrengend sein. Da wir meistens der erste Berührungspunkt in der Praxis sind, sind wir leider oft der „Fußabtreter“. Viele Patient*innen trauen sich nicht, ihre Kritik gegenüber den Ärzt*innen zu äußern. Dabei können wir das Meiste nicht ändern. Wir geben die Kritik dann an den Chef weiter.

Cardoso: Wir sind das Gesicht der Praxis und müssen immer souverän bleiben. Wir dürfen nicht unhöflich werden oder aus unserer Rolle fallen. Viele Leute glauben es vielleicht nicht, aber es ist manchmal mental ganz schön anstrengend, immer die Ruhe zu bewahren.


Hat sich in der Pandemie irgendetwas für Sie geändert?

Stadlmair: Aus meiner Sicht waren die Leute angespannter. Es gab mehr Regeln und dadurch auch mehr Konflikte. Zum Beispiel durften Begleitpersonen nicht mehr mit ins Wartezimmer, weil mehr Abstand gehalten werden musste. Fast jeden Tag hatten wir diese Probleme. Andere kamen viel zu früh, schon eine Stunde vor ihrem Termin, und mussten dann draußen warten. Es tut mir auch leid, wenn ich zu einer fast 90-Jährigen mitten im Winter sagen muss, dass ihr ebenfalls 90-jähriger Mann nicht hierbleiben darf. Deshalb haben wir oft Ausnahmen gemacht, aber es war schwer, die Grenze zu ziehen.

Cardoso: Man hat den Menschen angesehen, dass sie angespannt waren. Vor allem am Anfang hatten viele Patient*innen große Angst. Manche wollten die Türgriffe nicht anfassen und hatten dafür Taschentücher dabei. Viele haben Termine abgesagt, weil sie nicht mit der U-Bahn fahren wollten. Einige wollten nicht mit anderen Menschen im Wartezimmer sitzen, sondern lieber im Flur, was dann wieder zu Platzproblemen geführt hat.


Hatten Sie ebenfalls Angst wegen der Pandemie?

Cardoso: Ich hatte Angst, aber keine Panik. Ich habe mich immer an die Regeln gehalten und von Tag zu Tag geschaut, wie sich die Lage entwickelt. Panikmache setzt einen nur selbst unter Stress. Daher bin ich immer ruhig geblieben.

Stadlmair: Um mich selbst hatte ich wenig Angst, höchstens um meine Eltern oder Großeltern. Ich habe einfach immer meine Maske getragen, so wie die Patient*innen auch. In der Haupt-Pandemiezeit habe ich mich tatsächlich nie angesteckt, obwohl wir die ganze Zeit Kontakt zu Patient*innen hatten. Manche mussten wir allerdings erst auf die Maskenpflicht hinweisen. Viele denken nicht daran, dass die Maske nicht nur sie selbst schützt, sondern auch uns.


Es gibt zu wenig MFAs in Deutschland. Woran, glauben Sie, liegt das?

Stadlmair: Das frage ich mich auch. In den drei Jahren meiner Ausbildung sind leider einige meiner Mitschülerinnen durchgefallen. Man muss dann Glück haben, eine Praxis zu finden, die einen auch ohne Abschluss nimmt. Schließlich hat man trotzdem drei Jahre lang gelernt. Leider ist unsere Arbeit in der Regel nicht besonders gut bezahlt, und der Beruf ist noch immer ziemlich cliché-behaftet. Viele Menschen denken, als MFA muss man nur vorne an der Anmeldung sitzen, gut aussehen und ein bisschen ans Telefon gehen.

Cardoso: Die Arbeit ist nicht so leicht, wie sich das viele Menschen vorstellen. Das merke ich jedes Mal, wenn ich neue Mitarbeiterinnen anlerne. Nicht jede*r ist dafür gemacht. Multitasking ist nicht einfach. Wir leisten viel, haben viel Verantwortung und müssen alles mit Bedacht machen.


Haben Sie schon von Freund*innen gehört, die wegen der schlechten Bezahlung nicht mehr in diesem Beruf arbeiten möchten?

Stadlmair: Ja, nach der Ausbildung habe ich das von einigen gehört. In der Radiologie und bei uns in der Dermatologie ist die Bezahlung zum Beispiel besser. Aber die meisten aus meiner Klasse, die ihre Ausbildung beim Haus- oder Kinderarzt gemacht haben, sind danach wieder zurück in die Schule gegangen, um ein besseres Gehalt zu bekommen.


Glauben Sie, dass die Ausbildung für Leute mit Migrationshintergrund zu schwierig ist? Haben Sie Migrationshintergrund?

Stadlmair: Ich bin zwar nicht in Deutschland geboren, aber schon seit der Grundschule hier. In meinem Jahrgang gab es Leute, die anfangs sehr schlecht Deutsch gesprochen haben und es trotzdem geschafft haben. Für mich ist das eine Frage der Willenskraft. Leider gibt es immer noch ein Problem mit Rassismus, mit dem sich viele mit Migrationshintergrund auseinandersetzen müssen

Cardoso: Ich bin auch nicht hier geboren. Natürlich ist es tausendmal schwieriger, wenn man die Sprache noch nicht richtig beherrscht. Es ist aber auf jeden Fall machbar, wenn das Engagement da ist und man sich Mühe gibt. Eine Kollegin von uns hatte anfangs zum Beispiel sprachliche Schwierigkeiten, aber am Ende hat sie es trotzdem gemeistert. Es gibt z.B. Apps, mit denen man sich vieles übersetzen lassen kann.


Was, denken Sie, müsste sich ändern, damit mehr Leute diesen Beruf ergreifen?

Cardoso: Die Bezahlung könnte besser sein. Aber ich glaube, dass vor allem die Sicht auf diesen Beruf, das Image, zu schlecht ist. Der Beruf richtet sich aktuell hauptsächlich an Frauen, obwohl auch ein Mann ihn gut ausüben kann. Ich habe vorhin schon zu Rose gesagt, dass eine Werbekampagne an den Schulen helfen könnte. In der Coronapandemie gab es ja auch Werbekampagnen, etwa zum Maskentragen oder zum Impfen. Für den Beruf der MFA könnte das ein Anfang sein, um ihn attraktiver zu machen.

Stadlmeier: Es braucht auch mehr Angebote für Praktika. Ich habe in der Kinderchirurgie angefangen. Mein Chef dort hat allen Interessierten vor der Ausbildung ein dreimonatiges bezahltes Praktikum in den Sommerferien angeboten. So habe ich gemerkt, dass der Beruf nicht so ist, wie viele ihn sich vorstellen. Wir durften direkt mit in die OPs, haben gelernt, wie man Verbände anlegt oder einen Arm eingipst. Den ganzen Tag waren wir aktiv. Ein Praktikum zeigt einem sofort, dass man als MFA viel mehr ist als eine Empfangskraft oder eine Sekretärin.


Warum, glauben Sie, gibt es so wenige Männer in diesem Beruf?

Cardoso: Der Beruf wird zu häufig als typischer Frauenberuf dargestellt. Daher kommen viele Männer gar nicht erst auf die Idee, dass er für sie interessant sein könnte. Es ist ein Cliché – so wie manche immer noch denken, dass Frauen in die Küche gehören, während der Mann lieber im Haus etwas reparieren sollte.

Stadlmair: Es liegt aber sicher auch am oft nicht so attraktiven Gehalt. Vor allem jüngere Männer in unserem Alter möchten einfach lieber gleich das große Geld machen.

Cardoso: Viele Männer haben einen großen Drang nach Karriere und einem guten Gehalt. Nicht, dass wir Frauen das nicht auch haben – auch wir möchten uns weiterentwickeln. Aber eine Karriere mit viel Geld ist in diesem Beruf einfach nicht machbar. Es war allerdings gut, dass wir in der Krise einen Coronabonus bekommen haben.

Stadlmair: Wer einen medizinischen oder pflegerischen Beruf ergreift, weiß, dass man dort in der Regel nicht so viel Geld verdient und wenig Aufstiegschancen hat. Die meisten lernen den Beruf aus anderen Gründen – zum Beispiel wegen einer starken sozialen Ader. Auch ich wollte immer einen Beruf haben, bei dem ich anderen helfen kann und der meinem Leben einen Sinn gibt. Das Geld alleine war für mich nicht entscheidend, solange ich über die Runden komme. Aber über den Coronabonus habe ich mich natürlich gefreut.


Thema Chef: Was ist für Sie wichtig bei einem guten Chef oder einer guten Chefin?

Stadlmair: Mir persönlich ist es sehr wichtig, dass mein Chef hinter mir steht – gerade wegen der vielen Konflikte. Natürlich ist der Patient König, aber wenn jemand komplett respektlos ist und einen beleidigt, braucht es einen Vorgesetzten, der zu seinem Personal steht und einem ermöglicht, sich auch mal dagegen zu wehren. Kommunikation ist sehr wichtig. Chefs sollten dem Personal zuhören und das Gespräch suchen, um Konflikte zu lösen. Schließlich arbeiten wir in diesem Beruf immer Hand in Hand.


Was würden Sie Ärzt*innen gern als Botschaft mitgeben?

Stadlmair: Sie sollten uns zuhören und uns wahrnehmen, denn viele wissen nicht, wie es ist, am Empfang zu sitzen. Sie kriegen es nur im Vorbeigehen mit oder falls mal etwas eskaliert. Sie sollten verstehen, dass es nicht immer einfach ist, ihre Anweisungen umzusetzen. Und sie sollten ihre MFAs auf jeden Fall wertschätzen.

Cardoso: Wertschätzung steht für mich ganz oben auf der Liste. Leider spürt man sie nicht immer. Auch Kommunikation ist sehr wichtig: Man sollte über alles sprechen können. Schließlich sind wir ein Team.

Das Gespräch führte Stephanie Hügler