Handschuh-Kampagne von KLIMeG. Ressourcen sparen, Klima schützen
Wie viele Handschuhe ließen sich bei sachgemäßem Gebrauch vermeiden?
Bär: Die Studienlage zeigt, dass rund 35 bis 45 Prozent der Handschuhverwendungen im klinischen Alltag vermeidbar sind, wenn die Indikationen korrekt beachtet werden. Indiziert ist das Tragen von Handschuhen insbesondere beim Kontakt mit Blut, Sekreten, Exkreten oder Schleimhäuten. Beobachtungsstudien zeigen jedoch, dass Handschuhe häufig auch bei Routinehandlungen verwendet werden – etwa bei der körperlichen Untersuchung, beim Umlagern oder Transportieren von Patient*innen oder beim Bettenmachen. Wie groß das Potenzial für Veränderung ist, zeigen mehrere Studien: In einer aktuellen Untersuchung aus Australien konnte durch gezielte Schulungen der Anteil unnötiger Handschuhnutzung von 59 auf 23 Prozent reduziert werden – und das ganz ohne Beeinträchtigung der Patienten- und Personalsicherheit. Ähnliche Erfahrungen wurden auch in England gemacht.
Barkhausen: Die Gründe für den Übergebrauch sind vielfältig: Neben Unsicherheit und Gewohnheit spielen oft emotionale Faktoren wie Ekel oder Angst eine Rolle – aber auch Teamdynamiken und unausgesprochene Routinen. Umso wichtiger sind klare Empfehlungen, praxisnahe Trainings und regelmäßiges Feedback. So lässt sich der Handschuhverbrauch deutlich senken – und gleichzeitig die Hygienepraxis im Klinik- und Praxisalltag verbessern. Wichtig ist auch insgesamt, dass Handschuhe niemals die Händedesinfektion ersetzen.
Welche Auswirkungen hat die unsachgemäße Verwendung von Handschuhen auf Ressourcen und Klima?
Bär: Das Gesundheitswesen verursacht rund sechs Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen in Deutschland – mehr als der gesamte innerdeutsche Flugverkehr und die Schifffahrt zusammen. Einen spürbaren Anteil daran haben Einwegprodukte, allen voran medizinische Handschuhe. In Krankenhäusern, die ohnehin zu den größten Müllproduzenten zählen, entstehen pro Patient*in und Tag im Schnitt rund 20 Kilogramm Abfall.
Analysen zeigen, dass allein der Verbrauch von Einmalhandschuhen rund ein Prozent der Gesamtemissionen eines Krankenhauses ausmachen kann. Jeder einzelne vermiedene Handschuh reduziert Kunststoffabfälle und spart zugleich Energie, Wasser und Rohstoffe entlang der gesamten Lieferkette – von der Herstellung über den Transport bis zur Entsorgung.
Wie kann KliMeG Krankenhäuser bei Kampagnen zur Einsparung von Einmalhandschuhen unterstützen?
Bär: Viele Einrichtungen möchten klimafreundlicher werden – doch im hektischen Klinikalltag fehlen oft Zeit, Personal oder finanzielle Ressourcen, um konkrete Projekte umzusetzen. Genau hier setzt KliMeG an: Wir unterstützen Häuser dabei, Nachhaltigkeit praktisch in den Alltag zu integrieren.
Mit Förderung der Röchling-Stiftung haben wir die Plattform www.klimeg. de/mit-oder-ohne entwickelt – eine zentrale Anlaufstelle für alle, die die Kampagne „Mit oder ohne? – Handschuhe bewusst einsetzen“ starten möchten. Dort finden Einrichtungen alles, was sie brauchen: wissenschaftlich geprüfte Informationen, Poster, Flyer, Schulungsfolien, Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Kommunikationsmaterialien – kostenlos und sofort einsetzbar.
Mittlerweile beteiligen sich bereits über 50 Organisationen aktiv an der Kampagne. In unseren monatlichen Online-Treffen tauschen sich die Teilnehmenden aus, teilen Erfahrungen und entwickeln gemeinsam neue Inhalte – etwa zu Indikations-listen oder zu psychologischen Aspekten des Handschuhgebrauchs. Unser Ziel ist, dass jede Einrichtung mit wenig Aufwand, aber spürbarer Wirkung starten und Ziele erreichen kann – für hohen Infektionsschutz, gesündere Arbeitsbedingungen und mehr Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen. Denn am Ende gilt: Klimaschutz ist immer auch Gesundheitsschutz.
Dieses Gespräch führte Stephanie Hügler.
Ein weiteres Interview zu diesem Thema mit Dr. Beatrice Grabein finden Sie unter: https://www.aerztliche-anzeigen.de/leitartikel
MÄA 23 vom 08.11.2025