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Fachabend zu Rassismus im Gesundheitswesen: Diskriminierung hat Folgen

Egal ob als Patient*in oder als Fachkraft im Gesundheitswesen– wer als ausländische bzw. als fremd gelesene Person Diskriminierungserfahrungen macht, fühlt sich nicht nur unwohl. Ungleichbehandlung wirkt sich auch direkt auf die Gesundheit bzw. die Arbeitszufriedenheit der Betro­ffenen aus. Dies war das Fazit eines ÄKBV-Fachabends am 17. April 2024.

Die Soziologin und Migrationsforscherin Prof. Dr. Zerrin Salikutlik stellte an diesem Abend die Erhebungen, Experimente und qualitativen Befragungen des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa) vor (s. Interview in der Titelgeschichte). Per Zoom machte sie den zugeschalteten Zuhörer*innen klar: Diskriminierung steht nicht nur in einem direkten Zusammenhang mit Angststörungen und Depressionen, sondern auch mit einem Vertrauensverlust in das deutsche Gesundheitssystem. Gleichzeitig führen Vorurteile und Ungleichbehandlung teilweise nicht nur zu einer verspäteten Diagnose, einer schlechteren Medikamenteneinstellung und damit zu mehr Leid für die Betroffenen. Sie belasten auch das Gesundheitssystem. 

Während sich der NaDiRa und Prof. Salikutluk vor allem mit der Perspektive von Patient*innen beschäftigt haben, zeigte die Wirtschaftspsychologin und interkulturelle Trainerin Grace Lugert-Jose bei ihrem Vortrag die Erfahrungen von Pflegekräften aus dem Ausland aus ihrer Studie. Dazu hatte sie in den Jahren 2022 und 2023 über 200 Menschen aus den Philippinen befragt, die derzeit in deutschen Krankenhäusern, ambulanten Pflegediensten und Pflegeheimen beschäftigt sind. Nicht nur nach ihren Diskriminierungserfahrungen fragte sie sie Gesundheits-Profis, sondern auch nach ihrer aktuellen Arbeitssituation, ihrer Gesamtzufriedenheit, ihrer Vorbereitung auf ihre Arbeit in Deutschland und nach der Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre aktuelle Stelle anderen weiter empfehlen würden.

Dabei zeigte sich: Die Mehrheit der Befragten war vorher kaum in interkulturellen Schulungen auf ihre hiesige Arbeit vorbereitet worden. Nur knapp 30 Prozent fühlten sich hier „willkommen“, und nur etwa 40 Prozent bescheinigten ihren Vorgesetzten eine kompetente Führung von interkulturellen Teams. Zudem gaben nur 35 Prozent an, ihre Einrichtung setze sich für bessere Arbeitsbedingungen für sie ein. Bei der Sprache sah es etwas besser aus: Knapp 60 Prozent gaben an, Unterstützung bei den Deutschkenntnissen zu erhalten. Ebenfalls knapp 60 Prozent hatten wenigstens eine Vertrauensperson, mit der sie über Probleme reden konnten.

Dass immerhin rund 60 Prozent noch fünf Jahre in Deutschland bleiben wollten und sich nur 17 Prozent als sehr unzufrieden äußerten, ist in diesem Zusammenhang erstaunlich. Gleichzeitig zeigt es aber, dass mit 40 Prozent mehr als ein Drittel der Fachkräfte eher nicht hier bleiben möchte. Nach etwa zwei Jahren vor Ort wächst die Zufriedenheit, und sie steigt weiter an, wenn die Fachkräfte tatsächlich fünf Jahre oder länger hier geblieben sind.

Als besonders unzufrieden äußerten sich Fachkräfte, die in der ambulanten Pflege oder in Pflegeheimen arbeiten. In Krankenhäusern schätzten die Befragten die dort tendenziell eher vorhandene Offenheit bei Kolleg*innen und die eher vorhandene Hilfe bei der Einarbeitung und dass sie mehr Unterstützung durch vertrauenswürdige Personen erhalten. Trotzdem berichteten mit 64 Prozent fast zwei Drittel der Befragten, am Arbeitsplatz Diskriminierung erlebt zu haben.

Mehr als die Hälfte davon (56 Prozent) nannten Herablassung und Beleidigungen, fast die Hälfte (46 Prozent) berichteten von Diskriminierung aufgrund der Sprachbarriere. Andere negative Punkte betrafen Isolation, Geringschätzung, Mobbing, Unhöflichkeit oder Vernachlässigung bei der Kommunikation. In den meisten Fällen waren es Kolleg*innen, Vorgesetzte oder andere Personen aus dem direkten Arbeitsumfeld, die für diese schlechten Erfahrungen verantwortlich waren. Lugert-Jose machte deutlich. Diese Erfahrungen haben Konsequenzen: 41 Prozent der Personen, die Diskriminierung erlebt hatten, hatten den Arbeitsplatz gewechselt – von denen, die das nicht erlebt hatten, waren es nur etwa halb so viele.

Die Referentin schloss, dass Rassismus ein grundlegendes Problem bei der Integration sei – egal, ob dies subtil z.B. durch Ausschließen, Ignorieren oder Herablassung geschieht oder durch offene Diskriminierung, etwa durch rassistische Äußerungen oder Übergriffe. Rassismus führe zu einem häufigeren Arbeitsplatzwechsel. Helfen könnten interkulturelle Trainings. Konkret riet sie dazu, aktiv zuzuhören, um Erfahrungen zu verstehen und offen zu kommunizieren, etwa über eine Vertrauensperson oder eine anonyme Meldestelle. Wer selbst einen respektvollen Umgang pflege und keine Diskriminierung zulasse, wirke als Vorbild. Im Team könne man gemeinsame Richtlinien zum Umgang mit Diskriminierung entwickeln und auf deren Einhaltung achten.

Stephanie Hügler
MÄA 10/2024